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Erziehung nach Auschwitz

 

1. Einleitung

Der bekannte deutsche Philosoph, Soziologe und Musiktheoretiker, Theodor W. Adorno (1903-1969), äußerte in "Erziehung nach Auschwitz" über die Forderung an Erziehung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei. Er ist der Meinung, die alleeerste und wichtigste Debatte über Erziehungsideale ist, dass Auschwitz nicht sich wiederhole. (1)

Man hat mit ihr bis heute wenig sich beschäftigt. So wenig bewusste Forderung bestätigt die Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewusstsein- und Unbewusstseinstand der Menschen betrifft. Solange die Voraussetzungen, die eine Wiederholung hervorbringen, fortdauern, besteht die Barbarei fort. (2)

Um die Barbarei zu beseitigen, soll man in der Gesellschaft die Entbarbarisierung fortführen. Die Entbarbarisierung  der Gesellschaft wird nur durch die Erziehung ermöglicht.      

 

2. Wohin soll Erziehung führen?

 Adorno definiert die Schlüsselfrage des Erziehungszieles, „wohin soll Erziehung führen?“ (Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.110)

So kann man die Frage des Erziehungszieles in einem prinzipiellen Sinn stellen. Es sollte nicht die Erziehung wieder die verlorenen Unschuld in der Beschwörung neuer Leitbilder herzustellen. Anstatt solche vorgegebenes Leitbild zu vermitteln hat die Erziehung mehr die Aufgabe, dass Verhalten in der Welt auszustatten. (3)

Was er von der Erziehung vorstellt, ist die Herstellung eines richtigen Bewusstseins. Man hat kein Recht, von außen her, mit der Heteronomie im Begriff des Leitbildes, die Menschen zu formen. Nur die mündigen Menschen können eine Demokratie verwirklichen, in der die selbständige bewusste Entscheidung jedes einzelnen Menschen wahrgenommen wird.

Die Erziehung ist nur dann sinnvoll, wenn sie als eine zu kritischer Selbstrefflektion wäre, indem die Menschen nicht den Schuld nur nach außen zu suchen, sondern auf sich Selbst zu reflektieren. (4)

Die Ideen sollten aus dem mündigen Bewusstsein selber entspringen und auf keinen Fall von außen her präsentiert werden. Die Tendenz, die heteronome ideale anzueignen, ist stets noch kollektivisch - reaktionär.  (Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.112)

Im Begriff der Erziehung zu Bewusstsein und Realität liegt eine Doppelschlächtigkeit. Einerseits sollte sie dazu dienen, dass die Menschen in der Welt sich anpassen, andererseits hat sie ehe die Aufgabe die Durchsetzung des Individuum zu kräftigen. (5)

Das deutet darauf, dass die  Vereinigung von der Anpassung und dem Widerstand in der Gesellschaft, was auf die individualistische und gesellschaftliche Prinzipien beruht. Aber die übermächtige Realität heute hat die Menschen automatisch die Anpassungsprozeß besorgt, deswegen sollte die bewusste Erziehung den Widerstand zu stärken.

Die Erziehung soll sich auch mit dem Phänomen Entfremdung, die in der Gesellschaftsstruktur gründet,  beschäftigen und versuchen sie zu überwinden.

Die Unfähigkeit des Menschen zur Erfahrung und die Rolle der Technik im Bewusstsein und Unbewusstsein sollte die Erziehung entgegenarbeiten. Die Voraussetzung für die Steigerung des Reflexionsniveaus ist die Erfahrungsfähigkeit. Nicht-Erfahrungsfähigkeit verhindert die Reflexion. Die Erziehung zur Mündigkeit ist gleich gestellt mit der Erziehung zur Erfahrung, weil das geistige Erfahrung mit dem Denken gleichgesetzt wird. (6)

 

2.1. Allgemeine Aufklärung

Die allgemeine Aufklärung ist der zweite Bereich, der Adorno für die Erziehung nach Auschwitz für wichtig hält. Um die Wiederholung von Auschwitz zu verhindern, sollen die faschistische Motive bewusst und ein geistiges kulturelles und gesellschaftliches Klima geschafft werden. Die Motive, die für das Geschehnis des Grauen verantwortlich sind, sollen in einem gesunden Klima bewusst werden. (7)

Adorno ist der Meinung, dass man durch die Erziehung und Aufklärung, im Gegensatz von Schreibtischmördern,  gegen die Knechtschaft ein wenig unternehmen kann.

Die Aufklärung in der allgemeinen Form soll versuchen die Menschen von ihren Ängsten befreien und ihre eigene Herrschaft herzustellen. Dies geschieht durch die Erziehung, in der der Mensch in sich selbst durchschaut und sich bewusst wird, welche Rolle er in der Gesellschaft spielt, als ein unteilbares Wesen oder nur als ein Teil der Masse.

Adorno ist der Meinung, dass der bekannte Satz von Kant „Aufklärung ist Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, heute noch außerordentlich aktuell ist.

 

2.2. Erziehung zur Mündigkeit 

Kant hat die Mündigkeit als eine dynamische Kategorie, also, als ein werdendes und nicht als ein Sein Bestimmt. Ob wir heute noch in einem Zeitalter der Aufklärung leben, ist sehr fragwürdig. (8)

Adorno nennt die Autonomie als einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz und damit verwendet er den Kantischen Ausdruck; Die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen. (9)

Zur Mündigkeit gehört eine bestimmte Festigkeit des Ichs, der Ich-Bindung hinzu. (10)

Mündigkeit bedeutet soviel wie Bewusstmachung und Rationalität. Man versteht von der Rationalität, als Realitätsprüfung, den Moment der Anpassung im Gegensatz zu Bewusstsein, was auf den Widerstand des Einzelnes und Individuum beruht. (11)

Das Widersetzen gegen jede Art von Autorität ist nicht gerade die richtige Versuchung, einen mündigen Mensch zu werden. Die Kinder identifizieren sich mit einer Autorität und machen diese Vaterfigur zu eignen. In einem schmerzhaften Prozess erfahren sie, dass der Vaterfigur dem Ich-Ideal nicht entspricht. Als sie sich davon ablösen, werden sie zum mündigen Menschen. (12)

Mit den Phänomenen der Ich-Schwäche taucht immer das Problem auf, dass man sich auf wechselnde Situation umstellt, anstatt ein festes Ich auszubilden. Der eigentliche Problem heute ist, dass die Gesellschaft auf  Nichtindividuation eine Prämie setzt, deswegen ist es sehr wichtig, dass man gegen den autoritären Anti-Individuation angeht.

Das eigentliche Problem von Mündigkeit heute ist, dass die gesellschaftliche Einrichtung heteronom ist, in der kein Mensch wirklich nach seiner eigenen Bestimmung existieren kann. Durch die Einrichtung der Welt wird ein starker Druck auf die  Menschen ausgeübt. Die Gesellschaft formt die Menschen durch viele verschiedene Vermittlungsinstanzen insofern, dass sie mit mehr oder minder Widerstands ihre eigenen Bewusstsein entziehen und die heteronome Einrichtung akzeptieren. (13)

Einerseits hält die Gesellschaft die Menschen unmündig, andererseits wird jeder ernsthafte Versuch gegen die Unmündigkeit widergesetzt. (14)

 

3. Die Barbarei

"Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben“. (Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, Lyrik nach Auschwitz?, S.49)

Der berühmte und mehrmals zitierte Satz von Adorno, der von den Denkern und Dichtern vielfältig interpretiert und unterschiedlich aufgenommen wurde, richtet sich nicht nur nach Kunst an, sondern er meint die Gesamte Kultur in der Gesellschaft, die noch ihre Wurzeln in der Barbarei hat und noch nicht die Entbarbarisierung in sich begonnen hat, um eine Wiederkehr des Grauens zu verhindern.

Adorno betrachtet die Kunst als eine bewusstlose Geschichtsschreibung der Welt, die ihren eigenen Untergang überlebt hat und die Künste der Gegenwart zitieren in ihren Werken das äußerste Grauen nach. (15)

So hält Adorno keineswegs nur Lyrik nach Auschwitz für barbarisch an, sondern bezieht sich er auf die gesamte Kultur.

Er bezeichnet die Kultur nach Auschwitz, samt der dringlichen Kritik daran, als Müll. Er äußert, dass sie zu der Ideologie geworden ist, weil sie ihre widerstandlose Geschehnisse wiederherstellt. (16)

Auschwitz war Rückfall in die Barbarei und wenn die Voraussetzungen, die jenen Rückfall hervorbringen, weiterbestehen, besteht die Barbarei fort. Das ganze Grauen ist der gesellschaftliche Druck, der die Menschen zu ihr drängt. (17)

Im Namen von Ordnung, Autorität und etablierter Mächte besteht heute eine drohende Form der Barbarei fort. Adorno definiert sie als Wahnhaftes Vorurteil, Unterdrückung, Völkermord und Folter. (18)

Durch die Verwaltung wurden Millionen ermordet, deswegen ist der Tod fürchterlicher als je geworden.  (19)

Auch die Erfindung der Atombombe gehört zu dem Völkermord hinein. (20) Womit man mit einem Knopf Milliarden von Lebewesen vernichten und sogar zukünftigen Generationen behindern kann. 

Die vordringlichste Frage aller Erziehung ist heute die Entbarbarisierung. Adorno meint dabei mit Barbarei, dass die Menschen hinter ihrer eigenen Zivilisation zurückgeblieben und erfüllt sind von einem primitiven Angriffswillen, dadurch die Gefahr steigt, dass diese ganze Zivilisation in die Luft geht. (21)

Wo ein Rückfall in primitive physische Gewalt sich ereignet, ist dort die Barbarei vorhandeln, indem man sich mit dem Ausbruch physischer Gewalt identifiziert.  (22)

Adorno bezeichnet der Gebrauch von Ellenbogen als ein Ausdruck von Barbarei, was den Menschen abgewöhnen werden sollte. (23)

Die Menschen sollten durch das Erziehungssystem mit dem Abscheu vor der physischen Gewalt durchtränkt werden. (24)

Im Gegensatz zu der Frage, ob an der Barbarei durch die Erziehung etwas Entscheidendes geändert werden kann, äußert Adorno, dass allein die Frage nach der Barbarei, wenn sie ins Zentrum des Bewusstseins tritt, breit eine Änderung bewirkt. (25)

 

3.1. Die kulturelle Differenz von Stadt und Land

Eine der Gestalten in denen die Barbarei sich perpetuiert, ist die Divergenz von Stadt und Land. Dazu gehört auch die kulturelle Ungeformtheit der Landwirtschaft. (26)

Das Ungeformte an ihr ist Produkt der gesellschaftlichen Form. Die Erzeugung von Barbarei durch die Kultur ist aber stets von dieser dazu ausgenutzt worden, ihr eigenes barbarisches Wesen am Leben zu erhalten.

Nach Kogons Beschreibung in dem Buch „Der SS-Staat“, dass die Quälgeister des Konzentrationslagers zum größten Teil junge Bauernsöhne gewesen seien, bezeichnet Adorno die fortdauernde kulturelle Differenz von Stadt und Land als eine Bedingung des Grauens.

Für eines der Wichtigsten gegenüber der Gefahr einer Wiederholung hält Adorno die Entbarbarisierung des Landes zu. (27)

 

3.2. Teilung von körperlicher und geistiger Arbeit

Die Arbeitsprozesse als realste soziale Möglichkeiten erfordern keinen spezifischen individuellen Eigenschaften mehr. So fehlen heute weitgehend soziale Möglichkeiten der Individuation. (28)

Adorno bezeichnet die Teilung von körperlicher und geistiger Arbeit als das Scheitern der Kultur. Die Kultur hat die Menschen geteilt, damit hat sie dem Menschen das Vertrauen auf sich, auf Kultur selber, entzogen. Wenn die Kultur einen friedlichen Zustand verspricht und ihr Versprochen bricht, wird der Hass der Menschen gegen das Versprechen selbst richten. Indem man das Scheitern der Kultur den Menschen in einem weiten Maß aufklärend zum Bewusstsein bringt, schafft man ein Klima, indem die Veränderung viel günstiger ist. (29)

Es soll ermöglicht werden, dass die Wiedervereinigung des Entzweien, von innen und außen, verbürgen wird.

 

4. Erziehung in der Kindheit

Adorno bezeichnet die frühen Kindheit als die erste und alle wichtigste Erziehung nach Auschwitz.

Die jenige, die grausame Morde verübt haben, da deren Charaktere in der frühen Kindheit sich gebildet sind, so sollte Erziehung sich auf die frühe Kindheit konzentrieren, um eine Wiederholung zu verhindern. (30)

In seiner Rede „ zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“ äußert Adorno, dass bei einer Erhebung, eine gewisse Neigung zu antisemitischen Vorurteilen bei Kinder aus kleinbürgerlichen und zum Teil auch aus proletarischen Kreisen herausgestellt wurde. Da, die Eltern dieser Kinder zu der aktiven Gefolgschaft des Dritten Reiches gehörten, verteidigten sie ihre damalige Haltung, deswegen gaben sie antisemitische Argumente zu ihrer eigenen Entschuldigung, die dann von den Kindern übernommen worden. (31)

Von vornherein soll die aufklärende und erzieherische Arbeit in der Kindheit im Kindergarten und dann auch in der Schule konzentrieren. Die Erzieher sollten Zivilcourage zeigen und sogar zu solchen Konflikten mit den Eltern eingehen, dadurch lernen die Kinder, dass ihre Eltern auch irren können. (32)

Die Eltern sind Produkte dieser Kultur und auch so barbarisch wie diese Kultur.

So sollte man die frühkindlichen Ursprünge des Antisemitismus im allgemeinen im Elternhaus suchen. Die Schule wird als eine sekundäre Quelle bezeichnet. (33)

Auch bei dem Schuleintritt sollte man möglich den „Schock-Moment“ abfangen. Wenn man sich selber ausgeschlossen fühlt, wünscht man auch andere auszuschließen, deswegen werden Druck und Kälte weitergegeben, die das Kind plötzlich erfährt. (34)

Das Phänomen des Ausschließen ist prinzipiell gleich gebaut wie das antisemitische. Die individuelle Freundschaft ist ihm entgegengesetzte Form eine menschliche Beziehung. (35)

 

5. Die Wärme (Liebe)

Jeder kann zuwenig lieben, deswegen fühlt jeder sich zuwenig geliebt. Den Menschen in heutiger Welt mangelt die Liebe. Der Mangel an Liebe ist heutzutage ohne Ausnahme, ein Mangel aller Menschen. Man kann die Wärme nicht von den Eltern, die grausame Barbarei erlebt haben, auffordern. Die Kinder erfahren in ihrer frühen Kindheit eine bestimmte Art von Kälte und Beziehungslosigkeit. Man kann von denen nur künstliche Liebe erwarten. Die Liebe hat nicht mit der imperativischen Form zu tun. Um den ersten Schritt vorgehen, sollte man zuerst die Grunde der Kälte suchen. (36)

Ein Zeichen der universalen Kälte ist die Beschränktheit der Widerstand innerhalb der Gruppe, die eingegriffen wurden. Das, was man mit Schweigen deuten kann.

Das Schweigen war dessen Konsequenz, dass man seinen eigenen Vorteil vor allem anderen wahrnimmt und sich nicht in Gefahr bringt. Das Schweigen war der Grundsatz des Mitmachens, was man „Mitläufertum“ nennt.

 

6. Die Härte

Die Härte spielt in der traditionellen Erziehung die Rolle des vorgeblichen Ideals. Die Härte, was mit der Männlichkeit zusammengesetzt wird, wäre notwendig, um die Erziehung zur Disziplin zu erreichen.

Hart-Sein bedeutet Gleichgültigkeit gegen den Schmerz schlechthin, fast ohne unterschied zwischen dem eigenen und dem anderer. Die Verdrängung des eigenen Schmerz bringt man dazu für den verborgenen Schmerz Rache zu nehmen. Auch die Verdrängung der Ängste hat die ähnlichen Konsequenzen.  (37)

Um den zerstörerischen Effekt der unbewussten und verschobener Angst verschwinden lassen, soll man real so viele Angst haben, wie diese Realität Angst verdient.

 

7. Die blinde Identifikation mit dem Kollektiv

Auschwitz charakteristischen Typen sind einerseits die blinde Identifikation mit dem Kollektiv, andererseits die Manipulation der Kollektive. (38)

In den nationalsozialistischen Phasen erfüllte die Kollektivmacht der kollektiven Machtphantasien der ohnmächtigen Einzelnen. (39) Das war ein Zeichen der unterdruckten Zusammenhaltung und Einordnung des Einzelnes in der Kollektive.

Jeder Einzelne wird durch die Zusammenballung der ökonomischen und damit der politischen und administrativen Mächte zum bloßen Funktionär des Getriebes. In der Gegenwart gibt es mehr Bindungen als in der Ära des Hochliberalismus. (40) 

Die blinde Einordnung in der Kollektive nimmt den Menschen die Selbstbestimmung weg und macht sie zu etwas wie Material, wessen Charakter Adorno als der manipulative Charakter bezeichnet, was er ihn den Typus des verdinglichten Bewusstseins nennt. Solche Menschen machen sich selber gewissermaßen den Dingen gleich, dann möglich die anderen. (41)

Die manipulierte und angedrehte Wärme des Miteinander überwältigte die Kälte des entfremdeten Zustands, durch die gewalttätige staatliche Lenkung der Industriegesellschaft, die universale Angst absinkt. (42)

Die herrschenden Anschauungen über Erziehung in Deutschland geht’s um Anpassung der Menschen an das herrschende System oder ihre Orientierung an gewissen dogmatisch gesetzten Werten. (43)

Damit ein Mensch sich als Dazugehöriger und einer des Kollektivs fühlen darf, soll er den physischen Schmerz der Gewalttat ertragen.

Herrschaft delegiert die physische Gewalt, auf der sie beruht, an Beherrschte. Um das Individuum in der Masse zu kommen, ist die Abwerfung seiner unbewussten Triebregungen vorausgesetzt.

Kollektivinteresse hat Vorrang über den individuellen Eigennutz, indem sie mit dem aggressiven politischen potential des Angriffskriegs zusammenhängt.

In Deutschland waltet nach wie vor Identifikation mit der Macht, damit ist das gefährliche Potential verborgene mit Machtpolitik, nach innen und außen, sich zu identifizieren. (44)

Denn die Macht, das Ethos von Verantwortung und Aufrichtigkeit, ist allemal autoritärer Art, eine Maske des Staates.

Die wichtigste psychologische Bedingung für Auschwitz war die Unfähigkeit zur Identifikation.

Um das Fortbestehen der Identifikation und dem beschädigten Kollektiven Narzissmus verhindern und sie zerstören sollte man die Weisung des großen Psychologen wie Freuds Theorie beachten, weil das Unbewusstes um jene Identifikation und den kollektiven Narzissmus schwelt. Man hat noch nicht richtig die Niederlage innerlich bestätigt. (45)

Der Name Freud taucht überall in den Adornos Schriften auf. Er meint, dass Freud ganz früh die Tendenz zur Barbarei psychologisch begründet und eine Reihe von Momenten getroffen hat. Es besteht darauf, dass die Menschen ihre Versagung durch die Kultur und darum ihre Schuldgefühle in Aggressionen umsetzen. (46)

Nach dem ersten Weltkrieg beschäftigte sich Freud mit dem Narzissmus und den Ichproblemen. Er sah in rein psychologischen Kategorien das Heraufkommen und die Natur faschistischer Massenbewegung klar voraus, obwohl ihn die politische Seite des Problems kaum interessierte. Er versucht festzustellen, welche Kräfte die Verwandlung von Individuen in eine Masse bewirken. Das Bindemittel, was die Individuen in der Masse zu einer Einheit verbindet, ist für die Masse charakteristisch, in dem das Grundproblem der faschistischen Manipulation steckt. (47)

 

Für der alle wichtigsten Erziehungsziele nennt Adorno die Steigerung den Widerstand gegen die blinde Vormacht aller Kollektive durch ihr entgegen arbeiten. 

 

8. Autoritären Charakter

Adorno sucht die Verantwortung für Auschwitz in dem geschichtlichen Zusammenbruch des Kaiserreiches. Die Desorientierung nach dem totalen Zusammenbruch der totalen Herrschaft ruft die Notwendigkeit der Selbstbestimmung hervor. Die alten, etablierten Autoritäten waren gestürzt aber was den Menschen fehlte war die Selbststimmung, was dazu die Menschen psychologisch noch nicht reif waren. Deswegen machten sie sich die Autoritätsstrukturen jene destruktive und irre Dimension zu eigen. Im Namen von Bindung wurde das Gewissen durch äußere Autoritäten ersetzt. (48)

 

Autorität ist „selber ein wesentlich sozialpsychologischer Begriff, der nicht ohne weiteres die soziale Wirklichkeit selber bedeutet.“ (Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.147)

Die autoritätsgebundenen Charaktere verfügen über ein schwaches Ich und identifizieren sich mit großen Kollektiven und auch realer Macht. (49)

Die Prämie der Gesellschaft auf Nichtindividuation, die innere Schwächung der Ich-Bindung und Selbstbetrachtung als letztes Ziel zählen für das Problem des Individuums heute. (50)

Die Perpetuierung der Barbarei in der Erziehung wird durch das Autoritätsprinzip vermittelt, das in dieser Kultur selbst liegt.

Gerade die individualistische Gesellschaft lässt das Individuum in Not, in der das Ich sich mit dem autoritären Staat oder anderer Institutionen identifiziert und sich damit zur Ohnmacht verdammt. Das Bedürfnis der gebundenen Individuen hängt von vorhandener Autorität ab. (51)

Die Menschen, die versuchen sich mit dem Über-Ich identifizieren, misslingen es zugleich. Aus ihrer Enttäuschung  werden sie die Rolle ihren Vorbildern, die verinnerlichen Vaterrolle, überspielen. (52)

Man muss gegen den autoritären Anti-Individualismus, der die deutsche pädagogische Diskussion lange beherrscht hat, angehen aber nicht die Erziehung zum Individuum postulieren. (53)

Im Sinne der Ergebnisse der modernen Erziehungswissenschaft muss man die Bildung des autoritätsgebundenen Charakters entgegenarbeiten und auch antiautoritär verhalten.

Es geht also darum, in der Erziehungssphäre möglich zu verhindern, dass sich autoritätsgebundener Charakter bildet.

 

9. Verdinglichung

Die Technologie ist so in der heutigen Welt verbreitet, dass man das Leben ohne sie nicht vorstellen kann. Die Technologie hat die Menschen in ihre Macht gefangen genommen, so dass die Menschen vergessen, dass eigentlich, was die Menschen dienen soll gerade die Position des Lebensziels annimmt. Die Struktur der Gesellschaft ist auf die Unterdruckung des Einzelnes und seine Einordnung und Identifikation mit dem Kollektiv aufgebaut.

Es wird auch kein Fortschritt geben, wenn die Menschheit von der Totalität eingefangen bleibt, die sie selbst bildet. (54)

Die Fetischisierung der Technik hängt auch mit den verdinglichten Bewusstsein zusammen.

In der heutigen Welt hat die Technik eine Schlüsselposition. Die Menschen haben eine Vorliebe für die Technik. Sie wird als der verlängerte Arm der Menschen vergessen und statt dessen als eine Kraft eigenen Wesens zugehalten. (55)

Die Menschen, die aufhören, Subjekt zu sein und sich mit den Methoden subjektiver Vernunft begnügen, nähern sich den Maschinen als ihr unvollkommeneres Abbild. Auch das Denken wird zur Apparatur Beute von Verdinglichung, wenn es auf Methode reduziert wird. (56)

Das verdinglichte Bewusstsein schaltet Wissenschaft als Apparatur zwischen sich selbst und die lebendige Erfahrung.

 

„Der absoluten Verdinglichung, die den Fortschritt des Geistes als eines ihrer Elemente voraussetzte und die ihn heute gänzlich aufzusaugen sich anschickt, ist der kritische Geist nicht gewachsen, solange er bei sich bleibt in selbstgenügsamer Kontemplation.“ (Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, Lyrik nach Auschwitz?, S.49)

 

Dem verdinglichten Bewusstsein ist eigentümlich, sich in sich selbst einzurichten, bei sich selbst, bei der eigenen Schwäche zu beharren und sich um jeden Preis ins Recht zu setzen.

Je totaler die Gesellschaft, um so verdinglichter auch der Geist ist, was in Gegensatz zur Entwindung der Verdinglichung aus eigenem sich steht. (57)

 

Die Menschen, die sich zur Fetischisierung der Technik neigen, können nicht lieben.

Die Liebe wird in dem Ding verwandelt und entwürgt. Durch die Fetischisierung der Technik wird die Liebe verkäuflich. Wenn die Eltern keine Wärme und Liebe ihren Kindern schenken können, schenken sie denen stattdessen Dinge. So werden die Kinder auch sehr früh genug lernen, dass sie die Liebe in Geschenken oder besser gesagt, in Dingen suchen müssen. So wird die Verdinglichung fester und härter als je in der Gesellschaft aufgebaut.

 

10. Aufarbeitung der Vergangenheit

Hätte man nicht seinen eigenen Vorteil vor allem anderen Wahrgenommen, wären die Menschen nicht gegenüber den Anderen gleichgültig gewesen, hätte man was dagegen sprechen gewagt, so wäre Auschwitz nicht möglich gewesen.(58)

Statt die ernste Verarbeitung der Vergangenheit durch helles Bewusstsein möchte man sie selbst aus der Erinnerung wegwischen und einen Schlussstrich darunter ziehen. Man will der Vergangenheit entrinnen, was in Deutschland noch nicht bewältigt ward.

Adorno bezeichnet die Zerstörung der Erinnerung, das leere und kalte Vergessen, als ein Betrug gegenüber den Ermordeten. Aus der allgemeinen gesellschaftlichen Situation begreift man das Vergessen des Nationalsozialismus. (59)

 

„Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“ (Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.572)

 

So lange, dass die objektiven gesellschaftlichen Voraussetzungen fortbestehen, die den Faschismus zeitigten, lebt der Faschismus nach.

 

11. Zusammenfassung

Adorno sieht ganz früh die heutigen Möglichkeit, dass statt die Juden, die anderen Gruppen von Nationalsozialisten eingegriffen werden können. (60)

Die Geschichte aller Verfolgungen bestätigt sich, dass die Wut gegen die Schwachen sich richtet.

Um die Wiederkehr von Auschwitz zu verhindern scheint es Adorno wichtig, dass die Nazimörder durch wissenschaftliche Methoden mit langjährigen Psychoanalysen zu erforschen, damit es klar wird, „wie ein Mensch so wird.“ (Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.95) Man muss erkennen, dass in welchem Mechanismus die Menschen fähig werden, solche grausamen Taten auszuüben. Indem man ein Allgemeines Bewusstsein jener Mechanismus erweckt, soll man diese Mechanismen darlegen und zu verhindern erreichen. (61)

Adorno sucht die Wurzel des Völkermords in jener Resurrektion des Nationalismus, die seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts in vielen Ländern sich ereignete. Die Ermordung den weit über eine Million Armeniern von den Türken im ersten Weltkrieg ist ein Beweis für den angriffslustigen Nationalismus auch in anderen Ländern.  (62)

Adorno ist nicht mehr unter uns und hat nicht den heutigen Tag erlebt, nämlich die Folgerung des Nationalismus in der Türkei, dass jetzt nicht die Armenier, sondern einen andern Volk von den Türken vernichtet werden. Er hat ganz bewusst erläutet, dass den Nationalsozialismus bekämpft werden soll, sonst wird er in anderen Formen fortbestehen und mit der Zeit die anderen Gruppen als Vernichtungsziel unterwerfen. Gestern in der Türkei waren die Armenier daran, heute die Kurden. Gestern in Deutschland waren die Juden daran, morgen vielleicht asiatisch-afrikanische Ausländer?

 

Noshin Shahrokhi, 2001

 

 

1. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.85

2. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.85

3. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.110-111

4. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.87

5. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.87

6. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.119-121

7. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.88

8. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.151

9. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.90

10. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.151

11. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.114

12. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.147

13. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.151-152

14. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.155

15. Vgl. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.506

16. Vgl. Lyrik nach Auschwitz? S.62

17. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.85

18. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.130

19. Vgl. Lyrik nach Auschwitz? S.56

20. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.86

21. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.126

22. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.130

23. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.133

24. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.136

25. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.128

26. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.45

27. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.91

28. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.123

29. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.135

30. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.87

31. Vgl. Adorno, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. S.107

32. Vgl. Adorno, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. S.123

33. Vgl. Adorno, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. S.122

34. Vgl. Adorno, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. S.123

35. Vgl. Adorno, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. S.124

36. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.98-99

37. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.93

38. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.92

39. Vgl. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.562-563

40. Vgl. Stichworte, S.23-24

41. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.94

42. Vgl. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.562

43. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.127

44. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.94

45. Vgl. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.564

46. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.134

47. Vgl. Adorno, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. S.39

48. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.88-89

49. Vgl. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.561-562

50. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.123-124

51. Vgl. Stichworte, S.24

52. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.149

53. Vgl. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, S.123

54. Vgl. Stichworte, S.31

55. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.96-97

56. Vgl. Stichworte, S.11

57. Vgl. Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, Lyrik nach Auschwitz?, S.49

58. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.98

59. Vgl. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, S.555-558

60. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.100

61. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.87

62. Vgl. Stichworte, Erziehung nach Auschwitz, S.86

  

Literatur

Adorno, W. Theodor, Kulturkritik und Gesellschaft II, Eingriffe. Stichworte. Anhang., Suhrkamp 1977

Adorno, W. Theodor, Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft, Suhrkamp 2. Aufgabe 1973

Adorno, W. Theodor, Stichworte. Kritische Modelle 2, Suhrkamp 1969

Adorno, W. Theodor, Erziehung zur Mündigkeit, Vorträge und Gespräche mit Helmut Becker. 1959-1969, Suhrkamp 1970

Adorno und die Dichter, Lyrik nach Auschwitz?, Herausgegeben von Petra kiedaisch, Reclam 1995