Erziehung nach Auschwitz
1. Einleitung
Der bekannte deutsche
Philosoph, Soziologe und
Musiktheoretiker, Theodor W.
Adorno (1903-1969), äußerte
in "Erziehung nach
Auschwitz" über die
Forderung an Erziehung, dass
Auschwitz nicht noch einmal
sei. Er ist der Meinung, die
alleeerste und wichtigste
Debatte über
Erziehungsideale ist, dass
Auschwitz nicht sich
wiederhole. (1)
Man hat mit ihr bis heute
wenig sich beschäftigt. So
wenig bewusste Forderung
bestätigt die Möglichkeit
der Wiederholung, was den
Bewusstsein- und
Unbewusstseinstand der
Menschen betrifft. Solange
die Voraussetzungen, die
eine Wiederholung
hervorbringen, fortdauern,
besteht die Barbarei fort.
(2)
Um die Barbarei zu
beseitigen, soll man in der
Gesellschaft die
Entbarbarisierung
fortführen. Die
Entbarbarisierung der
Gesellschaft wird nur durch
die Erziehung
ermöglicht.
2. Wohin soll Erziehung
führen?
Adorno definiert die
Schlüsselfrage des
Erziehungszieles, „wohin
soll Erziehung führen?“
(Adorno, Erziehung zur
Mündigkeit, S.110)
So kann man die Frage des
Erziehungszieles in einem
prinzipiellen Sinn stellen.
Es sollte nicht die
Erziehung wieder die
verlorenen Unschuld in der
Beschwörung neuer Leitbilder
herzustellen. Anstatt solche
vorgegebenes Leitbild zu
vermitteln hat die Erziehung
mehr die Aufgabe, dass
Verhalten in der Welt
auszustatten. (3)
Was er von der Erziehung
vorstellt, ist die
Herstellung eines richtigen
Bewusstseins. Man hat kein
Recht, von außen her, mit
der Heteronomie im Begriff
des Leitbildes, die Menschen
zu formen. Nur die mündigen
Menschen können eine
Demokratie verwirklichen, in
der die selbständige
bewusste Entscheidung jedes
einzelnen Menschen
wahrgenommen wird.
Die Erziehung ist nur dann
sinnvoll, wenn sie als eine
zu kritischer
Selbstrefflektion wäre,
indem die Menschen nicht den
Schuld nur nach außen zu
suchen, sondern auf sich
Selbst zu reflektieren. (4)
Die Ideen sollten aus dem
mündigen Bewusstsein selber
entspringen und auf keinen
Fall von außen her
präsentiert werden. Die
Tendenz, die heteronome
ideale anzueignen, ist stets
noch kollektivisch -
reaktionär. (Adorno,
Erziehung zur Mündigkeit,
S.112)
Im Begriff der Erziehung zu
Bewusstsein und Realität
liegt eine
Doppelschlächtigkeit.
Einerseits sollte sie dazu
dienen, dass die Menschen in
der Welt sich anpassen,
andererseits hat sie ehe die
Aufgabe die Durchsetzung des
Individuum zu kräftigen. (5)
Das deutet darauf, dass die
Vereinigung von der
Anpassung und dem Widerstand
in der Gesellschaft, was auf
die individualistische und
gesellschaftliche Prinzipien
beruht. Aber die
übermächtige Realität heute
hat die Menschen automatisch
die Anpassungsprozeß
besorgt, deswegen sollte die
bewusste Erziehung den
Widerstand zu stärken.
Die Erziehung soll sich auch
mit dem Phänomen
Entfremdung, die in der
Gesellschaftsstruktur
gründet, beschäftigen und
versuchen sie zu überwinden.
Die Unfähigkeit des Menschen
zur Erfahrung und die Rolle
der Technik im Bewusstsein
und Unbewusstsein sollte die
Erziehung entgegenarbeiten.
Die Voraussetzung für die
Steigerung des
Reflexionsniveaus ist die
Erfahrungsfähigkeit.
Nicht-Erfahrungsfähigkeit
verhindert die Reflexion.
Die Erziehung zur Mündigkeit
ist gleich gestellt mit der
Erziehung zur Erfahrung,
weil das geistige Erfahrung
mit dem Denken gleichgesetzt
wird. (6)
2.1. Allgemeine Aufklärung
Die allgemeine Aufklärung
ist der zweite Bereich, der
Adorno für die Erziehung
nach Auschwitz für wichtig
hält. Um die Wiederholung
von Auschwitz zu verhindern,
sollen die faschistische
Motive bewusst und ein
geistiges kulturelles und
gesellschaftliches Klima
geschafft werden. Die
Motive, die für das
Geschehnis des Grauen
verantwortlich sind, sollen
in einem gesunden Klima
bewusst werden. (7)
Adorno ist der Meinung, dass
man durch die Erziehung und
Aufklärung, im Gegensatz von
Schreibtischmördern, gegen
die Knechtschaft ein wenig
unternehmen kann.
Die Aufklärung in der
allgemeinen Form soll
versuchen die Menschen von
ihren Ängsten befreien und
ihre eigene Herrschaft
herzustellen. Dies geschieht
durch die Erziehung, in der
der Mensch in sich selbst
durchschaut und sich bewusst
wird, welche Rolle er in der
Gesellschaft spielt, als ein
unteilbares Wesen oder nur
als ein Teil der Masse.
Adorno ist der Meinung, dass
der bekannte Satz von Kant
„Aufklärung ist Ausgang des
Menschen aus seiner
selbstverschuldeten
Unmündigkeit“, heute noch
außerordentlich aktuell ist.
2.2. Erziehung zur
Mündigkeit
Kant hat die Mündigkeit als
eine dynamische Kategorie,
also, als ein werdendes und
nicht als ein Sein Bestimmt.
Ob wir heute noch in einem
Zeitalter der Aufklärung
leben, ist sehr fragwürdig.
(8)
Adorno nennt die Autonomie
als einzig wahrhafte Kraft
gegen das Prinzip von
Auschwitz und damit
verwendet er den Kantischen
Ausdruck; Die Kraft zur
Reflexion, zur
Selbstbestimmung, zum
Nicht-Mitmachen. (9)
Zur Mündigkeit gehört eine
bestimmte Festigkeit des
Ichs, der Ich-Bindung hinzu.
(10)
Mündigkeit bedeutet soviel
wie Bewusstmachung und
Rationalität. Man versteht
von der Rationalität, als
Realitätsprüfung, den Moment
der Anpassung im Gegensatz
zu Bewusstsein, was auf den
Widerstand des Einzelnes und
Individuum beruht. (11)
Das Widersetzen gegen jede
Art von Autorität ist nicht
gerade die richtige
Versuchung, einen mündigen
Mensch zu werden. Die Kinder
identifizieren sich mit
einer Autorität und machen
diese Vaterfigur zu eignen.
In einem schmerzhaften
Prozess erfahren sie, dass
der Vaterfigur dem Ich-Ideal
nicht entspricht. Als sie
sich davon ablösen, werden
sie zum mündigen Menschen.
(12)
Mit den Phänomenen der
Ich-Schwäche taucht immer
das Problem auf, dass man
sich auf wechselnde
Situation umstellt, anstatt
ein festes Ich auszubilden.
Der eigentliche Problem
heute ist, dass die
Gesellschaft auf
Nichtindividuation eine
Prämie setzt, deswegen ist
es sehr wichtig, dass man
gegen den autoritären
Anti-Individuation angeht.
Das eigentliche Problem von
Mündigkeit heute ist, dass
die gesellschaftliche
Einrichtung heteronom ist,
in der kein Mensch wirklich
nach seiner eigenen
Bestimmung existieren kann.
Durch die Einrichtung der
Welt wird ein starker Druck
auf die Menschen ausgeübt.
Die Gesellschaft formt die
Menschen durch viele
verschiedene
Vermittlungsinstanzen
insofern, dass sie mit mehr
oder minder Widerstands ihre
eigenen Bewusstsein
entziehen und die heteronome
Einrichtung akzeptieren.
(13)
Einerseits hält die
Gesellschaft die Menschen
unmündig, andererseits wird
jeder ernsthafte Versuch
gegen die Unmündigkeit
widergesetzt. (14)
3. Die Barbarei
"Nach Auschwitz ein Gedicht
zu schreiben, ist
barbarisch, und das frisst
auch die Erkenntnis an, die
ausspricht, warum es
unmöglich ward, heute
Gedichte zu schreiben“.
(Adorno, Kulturkritik und
Gesellschaft, Lyrik nach
Auschwitz?, S.49)
Der berühmte und mehrmals
zitierte Satz von Adorno,
der von den Denkern und
Dichtern vielfältig
interpretiert und
unterschiedlich aufgenommen
wurde, richtet sich nicht
nur nach Kunst an, sondern
er meint die Gesamte Kultur
in der Gesellschaft, die
noch ihre Wurzeln in der
Barbarei hat und noch nicht
die Entbarbarisierung in
sich begonnen hat, um eine
Wiederkehr des Grauens zu
verhindern.
Adorno betrachtet die Kunst
als eine bewusstlose
Geschichtsschreibung der
Welt, die ihren eigenen
Untergang überlebt hat und
die Künste der Gegenwart
zitieren in ihren Werken das
äußerste Grauen nach. (15)
So hält Adorno keineswegs
nur Lyrik nach Auschwitz für
barbarisch an, sondern
bezieht sich er auf die
gesamte Kultur.
Er bezeichnet die Kultur
nach Auschwitz, samt der
dringlichen Kritik daran,
als Müll. Er äußert, dass
sie zu der Ideologie
geworden ist, weil sie ihre
widerstandlose Geschehnisse
wiederherstellt. (16)
Auschwitz war Rückfall in
die Barbarei und wenn die
Voraussetzungen, die jenen
Rückfall hervorbringen,
weiterbestehen, besteht die
Barbarei fort. Das ganze
Grauen ist der
gesellschaftliche Druck, der
die Menschen zu ihr drängt.
(17)
Im Namen von Ordnung,
Autorität und etablierter
Mächte besteht heute eine
drohende Form der Barbarei
fort. Adorno definiert sie
als Wahnhaftes Vorurteil,
Unterdrückung, Völkermord
und Folter. (18)
Durch die Verwaltung wurden
Millionen ermordet, deswegen
ist der Tod fürchterlicher
als je geworden. (19)
Auch die Erfindung der
Atombombe gehört zu dem
Völkermord hinein. (20)
Womit man mit einem Knopf
Milliarden von Lebewesen
vernichten und sogar
zukünftigen Generationen
behindern kann.
Die vordringlichste Frage
aller Erziehung ist heute
die Entbarbarisierung.
Adorno meint dabei mit
Barbarei, dass die Menschen
hinter ihrer eigenen
Zivilisation zurückgeblieben
und erfüllt sind von einem
primitiven Angriffswillen,
dadurch die Gefahr steigt,
dass diese ganze
Zivilisation in die Luft
geht. (21)
Wo ein Rückfall in primitive
physische Gewalt sich
ereignet, ist dort die
Barbarei vorhandeln, indem
man sich mit dem Ausbruch
physischer Gewalt
identifiziert. (22)
Adorno bezeichnet der
Gebrauch von Ellenbogen als
ein Ausdruck von Barbarei,
was den Menschen abgewöhnen
werden sollte. (23)
Die Menschen sollten durch
das Erziehungssystem mit dem
Abscheu vor der physischen
Gewalt durchtränkt werden.
(24)
Im Gegensatz zu der Frage,
ob an der Barbarei durch die
Erziehung etwas
Entscheidendes geändert
werden kann, äußert Adorno,
dass allein die Frage nach
der Barbarei, wenn sie ins
Zentrum des Bewusstseins
tritt, breit eine Änderung
bewirkt. (25)
3.1. Die kulturelle
Differenz von Stadt und Land
Eine der Gestalten in denen
die Barbarei sich
perpetuiert, ist die
Divergenz von Stadt und
Land. Dazu gehört auch die
kulturelle Ungeformtheit der
Landwirtschaft. (26)
Das Ungeformte an ihr ist
Produkt der
gesellschaftlichen Form. Die
Erzeugung von Barbarei durch
die Kultur ist aber stets
von dieser dazu ausgenutzt
worden, ihr eigenes
barbarisches Wesen am Leben
zu erhalten.
Nach Kogons Beschreibung in
dem Buch „Der SS-Staat“,
dass die Quälgeister des
Konzentrationslagers zum
größten Teil junge
Bauernsöhne gewesen seien,
bezeichnet Adorno die
fortdauernde kulturelle
Differenz von Stadt und Land
als eine Bedingung des
Grauens.
Für eines der Wichtigsten
gegenüber der Gefahr einer
Wiederholung hält Adorno die
Entbarbarisierung des Landes
zu. (27)
3.2. Teilung von
körperlicher und geistiger
Arbeit
Die Arbeitsprozesse als
realste soziale
Möglichkeiten erfordern
keinen spezifischen
individuellen Eigenschaften
mehr. So fehlen heute
weitgehend soziale
Möglichkeiten der
Individuation. (28)
Adorno bezeichnet die
Teilung von körperlicher und
geistiger Arbeit als das
Scheitern der Kultur. Die
Kultur hat die Menschen
geteilt, damit hat sie dem
Menschen das Vertrauen auf
sich, auf Kultur selber,
entzogen. Wenn die Kultur
einen friedlichen Zustand
verspricht und ihr
Versprochen bricht, wird der
Hass der Menschen gegen das
Versprechen selbst richten.
Indem man das Scheitern der
Kultur den Menschen in einem
weiten Maß aufklärend zum
Bewusstsein bringt, schafft
man ein Klima, indem die
Veränderung viel günstiger
ist. (29)
Es soll ermöglicht werden,
dass die Wiedervereinigung
des Entzweien, von innen und
außen, verbürgen wird.
4. Erziehung in der Kindheit
Adorno bezeichnet die frühen
Kindheit als die erste und
alle wichtigste Erziehung
nach Auschwitz.
Die jenige, die grausame
Morde verübt haben, da deren
Charaktere in der frühen
Kindheit sich gebildet sind,
so sollte Erziehung sich auf
die frühe Kindheit
konzentrieren, um eine
Wiederholung zu verhindern.
(30)
In seiner Rede „ zur
Bekämpfung des
Antisemitismus heute“ äußert
Adorno, dass bei einer
Erhebung, eine gewisse
Neigung zu antisemitischen
Vorurteilen bei Kinder aus
kleinbürgerlichen und zum
Teil auch aus proletarischen
Kreisen herausgestellt
wurde. Da, die Eltern dieser
Kinder zu der aktiven
Gefolgschaft des Dritten
Reiches gehörten,
verteidigten sie ihre
damalige Haltung, deswegen
gaben sie antisemitische
Argumente zu ihrer eigenen
Entschuldigung, die dann von
den Kindern übernommen
worden. (31)
Von vornherein soll die
aufklärende und
erzieherische Arbeit in der
Kindheit im Kindergarten und
dann auch in der Schule
konzentrieren. Die Erzieher
sollten Zivilcourage zeigen
und sogar zu solchen
Konflikten mit den Eltern
eingehen, dadurch lernen die
Kinder, dass ihre Eltern
auch irren können. (32)
Die Eltern sind Produkte
dieser Kultur und auch so
barbarisch wie diese Kultur.
So sollte man die
frühkindlichen Ursprünge des
Antisemitismus im
allgemeinen im Elternhaus
suchen. Die Schule wird als
eine sekundäre Quelle
bezeichnet. (33)
Auch bei dem Schuleintritt
sollte man möglich den
„Schock-Moment“ abfangen.
Wenn man sich selber
ausgeschlossen fühlt,
wünscht man auch andere
auszuschließen, deswegen
werden Druck und Kälte
weitergegeben, die das Kind
plötzlich erfährt. (34)
Das Phänomen des
Ausschließen ist prinzipiell
gleich gebaut wie das
antisemitische. Die
individuelle Freundschaft
ist ihm entgegengesetzte
Form eine menschliche
Beziehung. (35)
5. Die Wärme (Liebe)
Jeder kann zuwenig lieben,
deswegen fühlt jeder sich
zuwenig geliebt. Den
Menschen in heutiger Welt
mangelt die Liebe. Der
Mangel an Liebe ist
heutzutage ohne Ausnahme,
ein Mangel aller Menschen.
Man kann die Wärme nicht von
den Eltern, die grausame
Barbarei erlebt haben,
auffordern. Die Kinder
erfahren in ihrer frühen
Kindheit eine bestimmte Art
von Kälte und
Beziehungslosigkeit. Man
kann von denen nur
künstliche Liebe erwarten.
Die Liebe hat nicht mit der
imperativischen Form zu tun.
Um den ersten Schritt
vorgehen, sollte man zuerst
die Grunde der Kälte suchen.
(36)
Ein Zeichen der universalen
Kälte ist die Beschränktheit
der Widerstand innerhalb der
Gruppe, die eingegriffen
wurden. Das, was man mit
Schweigen deuten kann.
Das Schweigen war dessen
Konsequenz, dass man seinen
eigenen Vorteil vor allem
anderen wahrnimmt und sich
nicht in Gefahr bringt. Das
Schweigen war der Grundsatz
des Mitmachens, was man „Mitläufertum“
nennt.
6. Die Härte
Die Härte spielt in der
traditionellen Erziehung die
Rolle des vorgeblichen
Ideals. Die Härte, was mit
der Männlichkeit
zusammengesetzt wird, wäre
notwendig, um die Erziehung
zur Disziplin zu erreichen.
Hart-Sein bedeutet
Gleichgültigkeit gegen den
Schmerz schlechthin, fast
ohne unterschied zwischen
dem eigenen und dem anderer.
Die Verdrängung des eigenen
Schmerz bringt man dazu für
den verborgenen Schmerz
Rache zu nehmen. Auch die
Verdrängung der Ängste hat
die ähnlichen Konsequenzen.
(37)
Um den zerstörerischen
Effekt der unbewussten und
verschobener Angst
verschwinden lassen, soll
man real so viele Angst
haben, wie diese Realität
Angst verdient.
7. Die blinde Identifikation
mit dem Kollektiv
Auschwitz charakteristischen
Typen sind einerseits die
blinde Identifikation mit
dem Kollektiv, andererseits
die Manipulation der
Kollektive. (38)
In den
nationalsozialistischen
Phasen erfüllte die
Kollektivmacht der
kollektiven Machtphantasien
der ohnmächtigen Einzelnen.
(39) Das war ein Zeichen der
unterdruckten
Zusammenhaltung und
Einordnung des Einzelnes in
der Kollektive.
Jeder Einzelne wird durch
die Zusammenballung der
ökonomischen und damit der
politischen und
administrativen Mächte zum
bloßen Funktionär des
Getriebes. In der Gegenwart
gibt es mehr Bindungen als
in der Ära des
Hochliberalismus. (40)
Die blinde Einordnung in der
Kollektive nimmt den
Menschen die
Selbstbestimmung weg und
macht sie zu etwas wie
Material, wessen Charakter
Adorno als der manipulative
Charakter bezeichnet, was er
ihn den Typus des
verdinglichten Bewusstseins
nennt. Solche Menschen
machen sich selber
gewissermaßen den Dingen
gleich, dann möglich die
anderen. (41)
Die manipulierte und
angedrehte Wärme des
Miteinander überwältigte die
Kälte des entfremdeten
Zustands, durch die
gewalttätige staatliche
Lenkung der
Industriegesellschaft, die
universale Angst absinkt.
(42)
Die herrschenden
Anschauungen über Erziehung
in Deutschland geht’s um
Anpassung der Menschen an
das herrschende System oder
ihre Orientierung an
gewissen dogmatisch
gesetzten Werten. (43)
Damit ein Mensch sich als
Dazugehöriger und einer des
Kollektivs fühlen darf, soll
er den physischen Schmerz
der Gewalttat ertragen.
Herrschaft delegiert die
physische Gewalt, auf der
sie beruht, an Beherrschte.
Um das Individuum in der
Masse zu kommen, ist die
Abwerfung seiner unbewussten
Triebregungen vorausgesetzt.
Kollektivinteresse hat
Vorrang über den
individuellen Eigennutz,
indem sie mit dem
aggressiven politischen
potential des Angriffskriegs
zusammenhängt.
In Deutschland waltet nach
wie vor Identifikation mit
der Macht, damit ist das
gefährliche Potential
verborgene mit Machtpolitik,
nach innen und außen, sich
zu identifizieren. (44)
Denn die Macht, das Ethos
von Verantwortung und
Aufrichtigkeit, ist allemal
autoritärer Art, eine Maske
des Staates.
Die wichtigste
psychologische Bedingung für
Auschwitz war die
Unfähigkeit zur
Identifikation.
Um das Fortbestehen der
Identifikation und dem
beschädigten Kollektiven
Narzissmus verhindern und
sie zerstören sollte man die
Weisung des großen
Psychologen wie Freuds
Theorie beachten, weil das
Unbewusstes um jene
Identifikation und den
kollektiven Narzissmus
schwelt. Man hat noch nicht
richtig die Niederlage
innerlich bestätigt. (45)
Der Name Freud taucht
überall in den Adornos
Schriften auf. Er meint,
dass Freud ganz früh die
Tendenz zur Barbarei
psychologisch begründet und
eine Reihe von Momenten
getroffen hat. Es besteht
darauf, dass die Menschen
ihre Versagung durch die
Kultur und darum ihre
Schuldgefühle in
Aggressionen umsetzen. (46)
Nach dem ersten Weltkrieg
beschäftigte sich Freud mit
dem Narzissmus und den
Ichproblemen. Er sah in rein
psychologischen Kategorien
das Heraufkommen und die
Natur faschistischer
Massenbewegung klar voraus,
obwohl ihn die politische
Seite des Problems kaum
interessierte. Er versucht
festzustellen, welche Kräfte
die Verwandlung von
Individuen in eine Masse
bewirken. Das Bindemittel,
was die Individuen in der
Masse zu einer Einheit
verbindet, ist für die Masse
charakteristisch, in dem das
Grundproblem der
faschistischen Manipulation
steckt. (47)
Für der alle wichtigsten
Erziehungsziele nennt Adorno
die Steigerung den
Widerstand gegen die blinde
Vormacht aller Kollektive
durch ihr entgegen
arbeiten.
8. Autoritären Charakter
Adorno sucht die
Verantwortung für Auschwitz
in dem geschichtlichen
Zusammenbruch des
Kaiserreiches. Die
Desorientierung nach dem
totalen Zusammenbruch der
totalen Herrschaft ruft die
Notwendigkeit der
Selbstbestimmung hervor. Die
alten, etablierten
Autoritäten waren gestürzt
aber was den Menschen fehlte
war die Selbststimmung, was
dazu die Menschen
psychologisch noch nicht
reif waren. Deswegen machten
sie sich die
Autoritätsstrukturen jene
destruktive und irre
Dimension zu eigen. Im Namen
von Bindung wurde das
Gewissen durch äußere
Autoritäten ersetzt. (48)
Autorität ist „selber ein
wesentlich
sozialpsychologischer
Begriff, der nicht ohne
weiteres die soziale
Wirklichkeit selber
bedeutet.“ (Adorno,
Erziehung zur Mündigkeit,
S.147)
Die autoritätsgebundenen
Charaktere verfügen über ein
schwaches Ich und
identifizieren sich mit
großen Kollektiven und auch
realer Macht. (49)
Die Prämie der Gesellschaft
auf Nichtindividuation, die
innere Schwächung der
Ich-Bindung und
Selbstbetrachtung als
letztes Ziel zählen für das
Problem des Individuums
heute. (50)
Die Perpetuierung der
Barbarei in der Erziehung
wird durch das
Autoritätsprinzip
vermittelt, das in dieser
Kultur selbst liegt.
Gerade die
individualistische
Gesellschaft lässt das
Individuum in Not, in der
das Ich sich mit dem
autoritären Staat oder
anderer Institutionen
identifiziert und sich damit
zur Ohnmacht verdammt. Das
Bedürfnis der gebundenen
Individuen hängt von
vorhandener Autorität ab.
(51)
Die Menschen, die versuchen
sich mit dem Über-Ich
identifizieren, misslingen
es zugleich. Aus ihrer
Enttäuschung werden sie die
Rolle ihren Vorbildern, die
verinnerlichen Vaterrolle,
überspielen. (52)
Man muss gegen den
autoritären
Anti-Individualismus, der
die deutsche pädagogische
Diskussion lange beherrscht
hat, angehen aber nicht die
Erziehung zum Individuum
postulieren. (53)
Im Sinne der Ergebnisse der
modernen
Erziehungswissenschaft muss
man die Bildung des
autoritätsgebundenen
Charakters entgegenarbeiten
und auch antiautoritär
verhalten.
Es geht also darum, in der
Erziehungssphäre möglich zu
verhindern, dass sich
autoritätsgebundener
Charakter bildet.
9. Verdinglichung
Die Technologie ist so in
der heutigen Welt
verbreitet, dass man das
Leben ohne sie nicht
vorstellen kann. Die
Technologie hat die Menschen
in ihre Macht gefangen
genommen, so dass die
Menschen vergessen, dass
eigentlich, was die Menschen
dienen soll gerade die
Position des Lebensziels
annimmt. Die Struktur der
Gesellschaft ist auf die
Unterdruckung des Einzelnes
und seine Einordnung und
Identifikation mit dem
Kollektiv aufgebaut.
Es wird auch kein
Fortschritt geben, wenn die
Menschheit von der Totalität
eingefangen bleibt, die sie
selbst bildet. (54)
Die Fetischisierung der
Technik hängt auch mit den
verdinglichten Bewusstsein
zusammen.
In der heutigen Welt hat die
Technik eine
Schlüsselposition. Die
Menschen haben eine Vorliebe
für die Technik. Sie wird
als der verlängerte Arm der
Menschen vergessen und statt
dessen als eine Kraft
eigenen Wesens zugehalten.
(55)
Die Menschen, die aufhören,
Subjekt zu sein und sich mit
den Methoden subjektiver
Vernunft begnügen, nähern
sich den Maschinen als ihr
unvollkommeneres Abbild.
Auch das Denken wird zur
Apparatur Beute von
Verdinglichung, wenn es auf
Methode reduziert wird. (56)
Das verdinglichte
Bewusstsein schaltet
Wissenschaft als Apparatur
zwischen sich selbst und die
lebendige Erfahrung.
„Der absoluten
Verdinglichung, die den
Fortschritt des Geistes als
eines ihrer Elemente
voraussetzte und die ihn
heute gänzlich aufzusaugen
sich anschickt, ist der
kritische Geist nicht
gewachsen, solange er bei
sich bleibt in
selbstgenügsamer
Kontemplation.“ (Adorno,
Kulturkritik und
Gesellschaft, Lyrik nach
Auschwitz?, S.49)
Dem verdinglichten
Bewusstsein ist
eigentümlich, sich in sich
selbst einzurichten, bei
sich selbst, bei der eigenen
Schwäche zu beharren und
sich um jeden Preis ins
Recht zu setzen.
Je totaler die Gesellschaft,
um so verdinglichter auch
der Geist ist, was in
Gegensatz zur Entwindung der
Verdinglichung aus eigenem
sich steht. (57)
Die Menschen, die sich zur
Fetischisierung der Technik
neigen, können nicht lieben.
Die Liebe wird in dem Ding
verwandelt und entwürgt.
Durch die Fetischisierung
der Technik wird die Liebe
verkäuflich. Wenn die Eltern
keine Wärme und Liebe ihren
Kindern schenken können,
schenken sie denen
stattdessen Dinge. So werden
die Kinder auch sehr früh
genug lernen, dass sie die
Liebe in Geschenken oder
besser gesagt, in Dingen
suchen müssen. So wird die
Verdinglichung fester und
härter als je in der
Gesellschaft aufgebaut.
10. Aufarbeitung der
Vergangenheit
Hätte man nicht seinen
eigenen Vorteil vor allem
anderen Wahrgenommen, wären
die Menschen nicht gegenüber
den Anderen gleichgültig
gewesen, hätte man was
dagegen sprechen gewagt, so
wäre Auschwitz nicht möglich
gewesen.(58)
Statt die ernste
Verarbeitung der
Vergangenheit durch helles
Bewusstsein möchte man sie
selbst aus der Erinnerung
wegwischen und einen
Schlussstrich darunter
ziehen. Man will der
Vergangenheit entrinnen, was
in Deutschland noch nicht
bewältigt ward.
Adorno bezeichnet die
Zerstörung der Erinnerung,
das leere und kalte
Vergessen, als ein Betrug
gegenüber den Ermordeten.
Aus der allgemeinen
gesellschaftlichen Situation
begreift man das Vergessen
des Nationalsozialismus.
(59)
„Aufgearbeitet wäre die
Vergangenheit erst dann,
wenn die Ursachen des
Vergangenen beseitigt wären.
Nur weil die Ursachen
fortbestehen, ward sein Bann
bis heute nicht gebrochen.“
(Was bedeutet: Aufarbeitung
der Vergangenheit, S.572)
So lange, dass die
objektiven
gesellschaftlichen
Voraussetzungen
fortbestehen, die den
Faschismus zeitigten, lebt
der Faschismus nach.
11. Zusammenfassung
Adorno sieht ganz früh die
heutigen Möglichkeit, dass
statt die Juden, die anderen
Gruppen von
Nationalsozialisten
eingegriffen werden können.
(60)
Die Geschichte aller
Verfolgungen bestätigt sich,
dass die Wut gegen die
Schwachen sich richtet.
Um die Wiederkehr von
Auschwitz zu verhindern
scheint es Adorno wichtig,
dass die Nazimörder durch
wissenschaftliche Methoden
mit langjährigen
Psychoanalysen zu
erforschen, damit es klar
wird, „wie ein Mensch so
wird.“ (Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.95) Man muss erkennen,
dass in welchem Mechanismus
die Menschen fähig werden,
solche grausamen Taten
auszuüben. Indem man ein
Allgemeines Bewusstsein
jener Mechanismus erweckt,
soll man diese Mechanismen
darlegen und zu verhindern
erreichen. (61)
Adorno sucht die Wurzel des
Völkermords in jener
Resurrektion des
Nationalismus, die seit dem
Ende des neunzehnten
Jahrhunderts in vielen
Ländern sich ereignete. Die
Ermordung den weit über eine
Million Armeniern von den
Türken im ersten Weltkrieg
ist ein Beweis für den
angriffslustigen
Nationalismus auch in
anderen Ländern. (62)
Adorno ist nicht mehr unter
uns und hat nicht den
heutigen Tag erlebt, nämlich
die Folgerung des
Nationalismus in der Türkei,
dass jetzt nicht die
Armenier, sondern einen
andern Volk von den Türken
vernichtet werden. Er hat
ganz bewusst erläutet, dass
den Nationalsozialismus
bekämpft werden soll, sonst
wird er in anderen Formen
fortbestehen und mit der
Zeit die anderen Gruppen als
Vernichtungsziel
unterwerfen. Gestern in der
Türkei waren die Armenier
daran, heute die Kurden.
Gestern in Deutschland waren
die Juden daran, morgen
vielleicht
asiatisch-afrikanische
Ausländer?
Noshin Shahrokhi, 2001
1. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.85
2. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.85
3. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.110-111
4. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.87
5. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.87
6. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.119-121
7. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.88
8. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.151
9. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.90
10. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.151
11. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.114
12. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.147
13. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.151-152
14. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.155
15. Vgl. Was bedeutet:
Aufarbeitung der
Vergangenheit, S.506
16. Vgl. Lyrik nach
Auschwitz? S.62
17. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.85
18. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.130
19. Vgl. Lyrik nach
Auschwitz? S.56
20. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.86
21. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.126
23. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.133
25. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.128
26. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.45
27. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.91
28. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.123
29. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.135
30. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.87
31. Vgl. Adorno, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft. S.107
32. Vgl. Adorno, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft. S.123
33. Vgl. Adorno, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft. S.122
34. Vgl. Adorno, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft. S.123
35. Vgl. Adorno, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft. S.124
36. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.98-99
37. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.93
38. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.92
39. Vgl. Was bedeutet:
Aufarbeitung der
Vergangenheit, S.562-563
40. Vgl. Stichworte, S.23-24
41. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.94
42. Vgl. Was bedeutet:
Aufarbeitung der
Vergangenheit, S.562
43. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.127
44. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.94
45. Vgl. Was bedeutet:
Aufarbeitung der
Vergangenheit, S.564
46. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.134
47. Vgl. Adorno, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft. S.39
48. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.88-89
49. Vgl. Was bedeutet:
Aufarbeitung der
Vergangenheit, S.561-562
50. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.123-124
51. Vgl. Stichworte, S.24
52. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.149
53. Vgl. Adorno, Erziehung
zur Mündigkeit, S.123
54. Vgl. Stichworte, S.31
55. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.96-97
56. Vgl. Stichworte, S.11
58. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.98
59. Vgl. Was bedeutet:
Aufarbeitung der
Vergangenheit, S.555-558
60. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.100
61. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.87
62. Vgl. Stichworte,
Erziehung nach Auschwitz,
S.86
Adorno, W. Theodor,
Kulturkritik und
Gesellschaft II, Eingriffe.
Stichworte. Anhang.,
Suhrkamp 1977
Adorno, W. Theodor, Kritik.
Kleine Schriften zur
Gesellschaft, Suhrkamp 2.
Aufgabe 1973
Adorno, W. Theodor,
Stichworte. Kritische
Modelle 2, Suhrkamp 1969
Adorno, W. Theodor,
Erziehung zur Mündigkeit,
Vorträge und Gespräche mit
Helmut Becker. 1959-1969,
Suhrkamp 1970
Adorno und die Dichter,
Lyrik nach Auschwitz?,
Herausgegeben von Petra
kiedaisch, Reclam 1995 |